Beitrag für die Publikation „Laxheit in Fragen geistigen Eigentums“
Im Februar 2016 fand ein Abend im Literaturforum im Brecht-Haus statt, den ich irgendwann kurz gefasst „Urheber(b)recht“ nannte. Gemeinsam mit den Kolleg*innen des Brecht-Hauses sowie mit Annett Gröschner und Esther Slevogt habe ich im Winter letzten Jahres ein kleines Projektchen ins Leben gerufen, das sich mit der Frage des Urheberrechts an Brechts Werken auseinandersetzt. Denn, das ist spätestens seit dem Spielverbot von Castorfs „Baal“ bekannt: Mit Brechts Werken darf man künstlerisch wahrlich nicht tun, was man möchte oder richtig findet. Die Erb*innen sprechen stets ein gewichtiges Wort mit – bis hin dazu, dass bestimmte Les- oder Spielarten von Brechts Stücken/Texten schlicht nicht stattfinden, da sie untersagt werden. Das führt konsequenterweise wiederum dazu – und hier wird’s interessant – , dass es sowas wie eine verbotene Brecht-Rezeption gibt. Oder, kurz gesagt: Kunst, die nicht stattfinden darf. Für die interessiere ich mich schon länger – so geht die Idee sich dieser untersagten Kunst zu widmen zurück bis ins Jahr 2012, wo ich die Brecht-Tage leitete und das Programm gestaltete. In der Begegnung und den Gesprächen mit zahlreichen Künstler*innen stellte sich nebenbei heraus, dass es eine Art innere Zensur gibt, wenn es um die künstlerische Umsetzung von Brechts Werken geht. Man weiß inzwischen, was gestattet wird und was nicht und passt seine Umsetzung entsprechend an. Oder man tut dies nicht und die Inszenierungsidee wird untersagt oder gar nicht erst realisiert. Was mich also prompt interessierte: Was passiert, wenn 2027 die urheberrechtliche Schutzfrist auf die Werke Brechts abläuft?
Wir wollten den verunmöglichten, nicht-realisierten Projekten schon jetzt einen Raum geben und riefen dementsprechend in die Brecht-Welt hinein und zurück kamen einige spannende Projekte, die wir an einem Abend präsentierten. Nachtkritik bildete den gesamten Prozess online ab – hier nachzulesen. So ergab sich am Abend selber ein tolles Gespräch mit LIGNA, Alex Karschnia (andcompany&Co.), Michael Wehren (friendly fire) und Esther Slevogt (nachtkritik.de), das nun in guter, alter Buchform abgedruckt und im Verbrecher Verlag erscheinen wird. Amazon sagt, VÖ sei der 28. Februar. Ich bin da leicht skeptisch, aber Amazon hat mit seinen Vorausberechnungen bekanntlich öfter Recht als man es gern hätte. Hier der böse Link für alle Kaufwilligen, hier der gute zum Verbrecher Verlag. (Nachtrag: Habe grad die Info vom Verlag gekriegt, dass VÖ wohl Ende April/Anfang Mai wird)
„Misstrau den Dingen“ – Beitrag für Publikation bei Theater der Zeit
Auf Anfrage von Tim Sandweg von der Schaubude Berlin habe ich im Januar ein Gespräch mit Johanna Kolberg und Hannes Kapsch von der Komplexbrigade zu ihrer Arbeit geführt. Das Gespräch erscheint Ende Juni in einer Publikation mit dem Titel „Der Dinge Stand“, herausgegeben von Annette Dabs und Tim Sandweg. Fokus dieses Arbeitsbuchs ist die aktuellen Entwicklungen des Figuren- und Objekttheaters abzubilden.
Im Gespräch mit der Komplexbrigade interessierte mich die Frage nach dem Misstrauen in die uns umgebende Dingwelt. Neuere technologische Objekte verstecken immer mehr all die Prozesse, die sie ohne unser Wissen steuern. Sie sammeln Daten und organisieren sie im Hintergrund so, dass sie unser Konsumverhalten analysieren können. „Misstrau den Dingen“ schien mir da der passende Titel, der sich mit Johanna und Hannes als spannender roter Faden durch das Gespräch zog.
Hier wieder der Link zum misstrauenswerten Amazon und der zu Theater der Zeit. Support your local publisher!

Wenige Tage nach dem Interview mit der Komplexbrigade fand im Martin-Gropius-Bau eine Veranstaltung meiner ehemaligen Kolleg*innen des Immersion-Programms der Berliner Festspiele statt. „Into Worlds“ hieß die dreitägige Konferenz, die neben dem größeren Diskursanteil auch mit einigen spannenden künstlerischen Beiträgen aufwartete. Ich wurde gefragt gemeinsam mit Carmen Weisskopf und Doma Smoljo von der !Mediengruppe Bitnik ein Gesprächs- und Präsentationsformat zu entwickeln, in der die beiden ihre Arbeiten dem Publikum vorstellen können. Das traf sich gut, denn schon während meiner Zeit bei Immersion wollte ich mit den beiden immer ein Projekt auf die Beine stellen, was leider nicht klappte. Nun bot sich also in einem kleineren Setting die Gelegenheit ihre – wie ich finde – durch und durch anti-immersiven Arbeiten in den Kontext der Immersion zu rücken. Sehr spannend!
Nun hatten die beiden just wenige Monate zuvor ein bezauberndes Büchlein mit einem noch bezaubernderen Titel herausgebracht (siehe Überschrift). Für ein ungeübtes Auge ist das ein denkbar sperriger Name für ein Buch. Wer sich jedoch mit der Programmiersprache JavaScript schon mal beschäftigt hat, weiß, dass dies der Code ist, mit dem man im Quellcode von Websites ein Pop Up-Fenster erstellen kann (so übrigens auch auf meinen bescheidenen Blog, weshalb der Titel oben nur als jpg zu finden ist). Womit aber immer noch nicht geklärt wäre, weshalb dieses Buchs diesen unüblichen Titel trägt. Es sei denn, man sucht das Buch mal im einschlägigen Online-Buchhandel. Zum Beispiel bei der allseits beliebten Buchhandlung Walther König – bitte mal ausprobieren und das Buch dort mit dem Suchbegriff „Mediengruppe Bitnik“ suchen und auf das Ergebnis klicken: http://www.buchhandlung-walther-koenig.de
Lustig und gleichzeitig beeindruckend, wie man die Funktionalität von Websites so einfach zerpflücken kann, oder? Auf der Amazon-Website wurde der Titel übrigens entfernt. Ein ziemlicher Geniestreich der Bitniks, der übrigens auf die offensichtlich sehr fruchtbare Zusammenarbeit mit den beiden Designern des Buches, Christoph Knoth und Konrad Renner, übrigens Professoren für Digitale Grafik an der HfBK Hamburg, zurückgeht. Tollerweise hatten Christoph und Konrad Zeit ebenfalls an der Veranstaltung teilzunehmen, so konnte das Buch und sein Titel mit allen Beteiligten besprochen werden.
Konsequenterweise entschieden wir uns dazu die kleine Gesprächsveranstaltung im Gropius-Bau „Pop Up-Event“ zu nennen; ein Begriff, nach dessen Benutzung man sich sonst eigentlich den Mund auswaschen sollte. Wir redeten also ausführlich über das Buch, den Pop Up-Hack und diverse andere Arbeiten der Bitniks, die sämtlich die Stoßrichtung haben jegliche immersionsartigen Verschleierungszusammenhänge zu markieren und sichtbar zu machen. Es geht nie um eine Medienvergessenheit, die für immersive Kunstwerke oft als so maßgeblich betrachtet wird. Im Gegenteil: Die Arbeiten der Bitniks sind der schnipsende Finger für den/die in Trance gefallene*n Mediennutzer*in. Und so sind ihre Interventionen und Hacks besonders wertvolle Beiträge zu der Frage, was Immersion ist. Und zwar nicht, indem sie selber immersiv sind, sondern indem sie Immersion zeigen und vorführen.
Masterclass Theaterakademie Hamburg
Anlässlich der diesjährigen Lessing Tage am Thalia Theater Hamburg richtete die Theaterakademie Hamburg eine Masterclass mit jungen Dramaturg*innen und Regisseur*innen aus, die ich Ende Januar/Anfang Februar leiten durfte.

Das Festival widmete sich schwerpunktmäßig der Bedrohung der Demokratie und legte einen besonderen Fokus auf Repressionen, die Journalist*innen und Künstler*innen in autokratischen Regimen erleiden. Zu Gast hatten wir Yeşim Özsoy, Leiterin von GalataPerform in Istanbul, die später bei dem für mich spannendsten Abend des Festivals teilnahm, dem prominent besetzten Panel „Artists at Risk“, u.a. mit Aslı Erdoǧan (Schriftstellerin) und Marina Davydova (Künstlerische Leiterin Moskauer NET-Festival und Herausgeberin der Theaterzeitschrift Teatr).
Darüber hinaus habe ich in den letzten Monaten mit einigen Künstler*innen und Theatern an Projekten und Anträgen gearbeitet, zum Beispiel mit dem Solistenensemble Kaleidoskop.
Und ich bastele an einem neuen großen Brecht-Projekt – darüber später mal mehr.